Die Deutschen und ihr Bier – Teil 1
- 23. April 2017 - Allgemein, Auswanderung, Berufe, Hamburg, Jubiläum, Wissen
Des Deutschen liebstes Getränk? Bier! So zumindest das gängige Klischee. Dafür gibt es aber durchaus gute Gründe. Einer davon ist sicherlich das deutsche Reinheitsgebot, das den guten Ruf des deutschen Gerstensaftes mitbegründet. Erlassen wurde es am 23. April 1516, daher wird jedes Jahr am 23. April der Tag des deutschen Bieres begangen. Das Reinheitsgebot ist das älteste Lebensmittelgesetz der Welt und besagt, dass in deutsches Bier nur Wasser, Hopfen und Gerste gehören. Die Auswirkung von Hefesporen aus der Luft, die die Gärung beeinflussten, war damals noch nicht bekannt. Heute ermöglicht der Zusatz von Hefe die gleichbleibende Qualität des Bieres. Vor Erlass des Reinheitsgebots wurde einiges hinzugemischt, um dem Bier beispielsweise einen besonderen Geschmack zu geben, die berauschende Wirkung zu steigern oder sauer gewordenes Bier wieder genießbar zu machen. Die ersten urkundlich nachweisbaren Vorläufer des Reinheitsgebotes finden sich bereits 1156 in Augsburg.
Die Geschichte des Bieres hängt eng mit der Geschichte des Brotes zusammen und findet ihren Ursprung etwa zu der Zeit, in der die Menschen sesshaft geworden sind und Ackerbau betrieben. Erstmals nachweisbar ist die Bierherstellung bei den Sumerern. Eine systematische Brautechnologie entwickelte sich im 7. Jahrhundert nach Christus in den Klöstern Mitteleuropas. Der Brauprozess und seine Abläufe wurden hier studiert, hinterfragt und verbessert. Laut eigener Aussage ist die Brauerei Weihenstephan die älteste gewerbliche Brauerei der Welt. Dies ist umstritten, in jedem Fall dürfte sie aber eine der ältesten sein, die noch heute existieren.
Bier war in Zeiten schlechter Wasserqualität gesünder, da es weitgehend keimfrei war. Außerdem war es eine gute Ernährungsergänzung. Entsprechend groß waren die verzehrten Mengen. Auch Kinder tranken damals Bier (der Alkoholgehalt war jedoch deutlich geringer als heute).
Heute steht Süddeutschland in besonderem Maße für deutsche Braukunst. Im Hochmittelalter war jedoch norddeutsches Bier in Menge und Qualität dominierend. Mit zunehmender Qualität und damit auch längerer Haltbarkeit nahm der Export zu. Hier spielte die Hanse eine wichtige Rolle. Hamburg bezeichnete sich selbst als das Brauhaus der Hanse. 1376 gab es 457 Brauereien in der Stadt. Mit dem Niedergang der Hanse und dem Aufkommen neuer Modegetränke (Kaffee, Tee, Schokolade) sank der Bedarf an Bier in Norddeutschland. Gleichzeitig sorgte das Reinheitsgebot dafür, dass süddeutsche Biere konkurrenzfähig wurden.
Bier in Deutschland heute
2016 wurden in Deutschland 95 Millionen Hektoliter Bier gebraut. Damit steht Deutschland auf Platz vier der weltweit größten Braunationen (hinter China, den USA und Brasilien). Es zeichnet sich dabei bis heute vor allem durch seine Vielfalt aus. Aktuell gibt es über 1.400 Braustätten mit rund 6.000 verschiedenen Biermarken. 2016 hat im Vergleich der Bundesländer Bayern nicht nur die meisten Brauereien (624) sondern auch das meiste Bier gebraut (23 Millionen Hektoliter). Den stärksten Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete hingegen der Großraum Hamburg und Schleswig-Holstein mit 8 neuen Brauereien.
Ein Grund für die wachsende Zahl an Brauereien ist die Craft-Beer-Szene. Im Gegensatz zu den USA, wo seit der Prohibition einige wenige große Konzerne den Markt unter sich aufteilten, spielten in Deutschland kleine und mittelständische Brauereien immer eine wichtige Rolle. Craft-Beer-Hersteller in Deutschland wollen nicht alltägliche Biere kreieren, die sich vom Massengeschmack abheben. Selbstverständlich wird dabei auf handwerkliches Brauen und hochwertige Zutaten geachtet. Auch alte Brautrationen werden wiederbelebt und Regionalität und Unabhängigkeit spielen eine Rolle. Sogenannte „Mikrobrauereien“ mit bis zu 1.000 Hektolitern Jahresausstoß machen derzeit gut die Hälfte der deutschen Brauereien aus.
Der Bierkonsum ist in Deutschland dennoch seit 1980 rückläufig. Lag der damalige Pro-Kopf-Verbrauch bei fast 146 Litern, waren es 2015 nur noch knapp 106 Liter. Mit 144 Litern tranken die Tschechen im Vergleich deutlich mehr Bier.
Deutsche Brauer in aller Welt
Nicht nur wird in Deutschland gebrautes Bier exportiert, viele sehr bekannte Brauereien wurden von ausgewanderten Deutschen gegründet. Hier soll nur auf zwei interessante Beispiele verwiesen werden. Um deutschstämmige Brauer in den USA wird es demnächst in diesem Blog gehen.
Sehr bekannt ist die chinesische Tsingtao Brewery Company. Die Küstenregion Kiautschou stand zwischen 1897 und 1914 unter deutscher Kolonialherrschaft. Vorwand für die Erzwingung des Pachtvertrages war der Mord an zwei deutschen Missionaren. 1903 wurde in der Hafenstadt Quingdao (früher deutsch Tsingtau geschrieben) die Germania-Brauerei von deutschen und britischen Siedlern gegründet, das erste Bier kam Ende 1904 auf den Markt. Gebraut wurde zu Beginn nach deutschem Reinheitsgebot. Während die Kolonie als solche aus Deutschland lange Zeit stark bezuschusst werden musste, war die Brauerei sehr erfolgreich. Kein Wunder, dass sie 1914, nach der Übernahme der Verwaltung des Gebiets durch die Japaner im Zuge des Ersten Weltkrieges, von diesen unter dem Namen Tsingtao weitergeführt wurde und auch die Chinesen daran später nichts änderten. 2016 war das Unternehmen mit 76 Millionen Hektolitern Ausstoß der zweitgrößte chinesische Brauerei-Konzern und der sechstgrößte weltweit.
Die Namibia Breweries Limited wurde 1920 von den deutschen Bankiers Carl List aus Berlin und Hermann Ohlthaver aus Ostfriesland in Windhoek, Namibia, gegründet. Hierzu fassten Sie vier kleine, ebenfalls bereits von deutschen Einwanderern in den Jahren 1902-1917 gegründete Brauereien zur Südwestbrauerei zusammen. Dieser Name bezieht sich auf den früheren Namen Namibias: Südwestafrika, das zwischen 1884 und 1915 eine deutsche Kolonie war. Ihren heutigen Namen erhielt die Brauerei als das Land 1990 unabhängig wurde. Heute ist sie einer der führenden Getränkehersteller Namibias und braut Bier nach dem deutschen Reinheitsgebot. Darüber hinaus absolvieren alle Brauergesellen einen Teil ihrer Ausbildung in Deutschland.
Weitere „bierige“ Exporte
Der Biergarten hat seinen Ursprung in München. Da für die Herstellung von untergärigen Bieren niedrige Temperaturen notwendig waren, konnte es früher nur in den kalten Monaten eines Jahres gebraut werden. Um auch im Sommer dieses Bier genießen zu können, wurden im 19. Jahrhundert an Flusshängen der Isar tiefe Kellerhöhlen geschlagen, um es kühl lagern zu können. Um zusätzlich Schatten zu spenden, wurden darüber häufig Kastanien angepflanzt. Im Sommer wurde über den Kellern zudem das frische Bier ausgeschenkt. Sie erfreuten sich großer Beliebtheit, was zu Protesten der Wirte in der Stadt führte. König Ludwig I. verfügte darauf hin, dass zwar über den Kellern weiterhin Bier ausgeschenkt werden durfte, aber keine Speisen abgesehen von Brot erhältlich sein sollten. So wurden hungrige Gäste zurück in die Innenstadt gelenkt. Bis heute ist in vielen Biergärten aber auch die Möglichkeit bestehen geblieben, sich selbst eine Brotzeit mitzubringen, obwohl zumeist ein Speisenangebot besteht. Heute werden ganz allgemein Schankflächen im Freien als Biergärten bezeichnet. Das Konzept und auch der Name selbst sind seither in vielen Ländern zu finden.
Weltweit bekannt ist das Münchner Oktoberfest. Als Vorläufer bzw. erstes Oktoberfest gilt ein Pferderennen, dass am 17. Oktober 1810 zu Ehren des Brautpaares Ludwig von Bayern und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen auf der nach der Braut benannten Theresienwiese abgehalten wurde. Heute ist das Oktoberfest mit jährlich rund 6 Millionen Besuchern das größte Volksfest der Welt. Seit seinen Anfängen entwickelte es sich mehr und mehr zu einem Bierfest. Es gibt tausende Nachahmungen weltweit:
- Das bei weitem besucherstärkste (2-3 Millionen jährlich) ist das seit 1991 bestehende Qingdao International Beer Festival in China.
- In Kanada findet sogar bereits seit 1969 das Kitchener-Waterloo-Oktoberfest statt und lockt jährlich rund 800.000 Besucher an. Kitchener hieß bis 1916 Berlin, viele Deutsche ließen sich dort nieder. Bis heute wird die deutsche Sprache in der Stadt gepflegt.
- Das Oktoberfest Blumenau in Brasilien gibt es seit 1984. Hierher kommen jährlich über 700.000 Besucher. Auf Initiative des Chemikers und Apothekers Hermann Blumenau aus dem Harz wurde die Stadt 1850 von deutschen Immigranten gegründet. Konflikte mit den ursprünglichen Bewohnern und ein Hochwasser 1855 erschwerten den Aufbau. Die Idee zu einem Oktoberfest entstand, als 1983 der Rio Itajaí erneut große Zerstörungen anrichtete. Das Fest finanzierte den Wiederaufbau. Übrigens kommt das Bier dafür von der Eisenbahn-Brauerei, die natürlich ebenfalls einen deutschen Hintergrund hat und zudem nach dem Reinheitsgebot braut.
- Das größte Oktoberfest der USA ist das Oktoberfest Zinzinnati, das seit 1976 in Cincinnati besteht und über 500.000 Besucher anlockt. Im Andenken an das deutsche Erbe der Stadt, ist der Name an die deutsche Aussprache des Städtenamens angelehnt.
- Auch in Windhoek findet mit dem Oktoberfest Namibia ein entsprechendes Volksfest statt, das von über 5.000 Personen besucht wird.
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