Charles Pfizer & Company - Wie zwei Ludwisgburger in den USA einen späteren Weltkonzern gründeten
- 19. Oktober 2021 - Allgemein, Auswanderung, Historische Ereignisse, Persönlichkeiten, Wissen
Der Pharmakonzern Pfizer ist einer der größten weltweit und international bekannt - aktuell gerade auch aufgrund der Zusammenarbeit mit BioNTech in der Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb des ersten in den USA, Europa und vielen anderen Ländern zugelassenen Impfstoffes gegen COVID-19 „Comirnaty“ (meist besser unter dem Firmennamen BioNTech bekannt). Aber wussten Sie, dass das Unternehmen 1849 in den USA von zwei Ludwigsburgern gegründet wurde?
Karl Pfizer und Karl Erhart
Karl Christian Friedrich Pfizer, später Charles Pfizer, wurde am 22. März 1824 in Ludwigsburg, Württemberg, Deutschland geboren und starb am 19. Oktober 1906 in Newport, Rhode Island, USA. Er war das 5. Kind und der einzige Sohn des Konditors und Kolonialwarenhändlers Karl Frederick Pfizer und seiner Ehefrau Caroline geb. Klotz. Noch in Deutschland machte er eine kaufmännische und eine Apothekerlehre.
Sein Cousin Karl Friedrich Erhart, später Charles F. Erhart, wurde am 25. September 1821 ebenfalls in Ludwigsburg geboren, war also etwas älter. Er starb am 27. Dezember 1891 in Brooklyn. Charles Erhart war Konditor und heiratete 1856 Pfizers Schwester Frances „Fanny“ Pfizer.
Es ist nicht ganz klar, wann genau die Cousins auswanderten (wohl etwa um 1848, Charles Pfizer selbst gab bei der Beantragung von Pässen das Jahr 1849 ab Bremen an), es scheint aber als hätten sie bei der Auswanderung bereits den Plan für das Geschäft gehabt. Laut einer Tochter von Karl Pfizer waren die Gründe für die Auswanderung wohl hauptsächlich die besseren (wirtschaftlichen) Möglichkeiten und Freiheiten, die sich in der USA boten (vgl. den sehr interessanten Artikel von William H. Stevenson, III auf der Webseite Immigrant Entrepreneurship). Sie waren also trotz des passenden Zeitraums vermutlich keine sogenannten „Forty-Eighters“, die wegen der gescheiterten Revolution 1848/1849 aus Deutschland flüchteten (Für mehr Informationen zu diesem Thema s. hier).
Das florierende Geschäft mit Chemikalien
Karl Pfizer und Karl Erhardt gründeten 1849 ihre Firma Charles Pfizer & Company im stark deutsch geprägten Williamsburg (heute ein Teil von New York City). Dafür liehen sie sich Geld von Pfizers Vater. Die chemische Produktion in den USA steckte damals noch in den Kinderschuhen, die Konkurrenz war entsprechend überschaubar.
Zuerst produzierten die Cousins Santonin (ein Mittel gegen parasitäre Würmer). Dabei kamen ihnen ihre jeweiligen Professionen zugute, denn das pharmazeutische Produkt wurde in einer neuartigen Form vertrieben: Als Süßware mit Toffee-Geschmack. Ausgeliefert wurde es zu Beginn offenbar persönlich von Charles Pfizer.
Der Erfolg kam schnell und die Produktpalette wurde stetig erweitert, allerdings von nun an eher im Bereich der Feinchemikalien die an Groß- und Einzelhändler vertrieben wurden. Zumeist wurden dabei Rohmaterialien veredelt anstatt dass Chemikalien selbst synthetisiert wurden. Die Produkte waren häufig nicht nur für medizinische sondern zudem für viele andere Zwecke nutzbar. Auch der Betrieb selbst wurde bereits ab 1854/1857 ausgebaut, so kamen neue Produktionsstätten, Verwaltungs- und Lagerhäuser hinzu, erst in New York, 1882 dann als erste Außenstelle außerhalb New Yorks auch ein Verkaufsbüro in Chicago.
Ein Faktor für den Erfolg des Unternehmens war auch der Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865). Die Nachfrage nach vielen von der Firma hergestellten Produkten stieg während gleichzeitig der Außenhandel zusammenbrach. Auch im Anschluss förderten hohe Einfuhrzölle das Wachstum des Unternehmens. Dafür sorgte unter anderem auch die 1872 von Pfizer und anderen Chemiefabrikanten gegründete „Manufacturing Chemists‘ Association“.
Das Unternehmen profitierte aber auch von Pfizers kluger Nutzung von Chancen, sowie dem Ruf des Unternehmens, besonders hochwertige Qualität zu liefern („Pfizer Qualität“). Gute Kontakte nach Deutschland und Europa zu Rohstofflieferanten etc. taten ihr übriges.
Obwohl er 1956 US-Staatsbürger wurde, war er häufig aus geschäftlichen und gesellschaftlichen Gründen in Europa. Auf einer dieser reisen lernte Pfizer seine Ehefrau Anna Hausch kennen, die er 1859 in Ludwigsburg heiratete. Sie hatten gemeinsam insgesamt 7 Kinder, von denen 5 das Erwachsenenalter erreichten: Charles jr. (1860-1928), Gustave (1861-1944), Emile (1864-1941), Helen (geboren 1866) und Nesthäkchen Alice (geboren 1877). Gustave, Helen und Alice lebten später im Ausland, Gustave vor allem in Paris, die Töchter heirateten adelige Männer aus Großbritannien und Österreich.
Um 1880 begann das Unternehmen mit der Herstellung von Zitronensäure, die z.B. in der aufkommenden Erfrischungsgetränkeindustrie benötigt wurde und zu einem der wichtigsten Standbeine werden sollte.
Nach Erharts Tod 1891 wurde Charles Pfizer zunächst Alleineigentümer des Unternehmens. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits zwei seiner eigenen Söhne, Charles Pfizer jr. und Emile Pfizer, sowie der Sohn seines ehemaligen Geschäftspartners, William H. Erhart (1868-1940), in das Unternehmen eingetreten. Trotzdem ernannte Charles Pfizer sen. ein Jahr nach dem Tod seines Partners den langjährigen Mitarbeiter John Anderson zum Geschäftsführer und zog sich mehr und mehr zurück.
Im Jahr 1900 wurde das Unternehmen in eine private Kapitalgesellschaft umgewandelt. Die Anteile gingen zu gleichen Teilen an seine beiden Söhne sowie William Erhart, einen Anteil erhielt auch John Anderson, der damit im Vorstand sitzen durfte. Charles Pfizer jr. wurde Präsident des Unternehmens, allerdings bereits 1905 wieder abgesetzt, da er sich als untauglich erwiesen hatte. Sein Bruder übernahm den Präsidenten-Posten und füllte ihn, als letztes verbleibendes Familienmitglied im Unternehmen, bis 1941 aus. Anderson erhielt freie Hand bei der Führung des Unternehmens, 1914 bis 1929 war er offiziell Vorsitzender des Unternehmens. Anschließend übernahm William Erhart den Posten (bis zu seinem Tod 1940).
Charles Pfizer starb 1906 nach einem Treppensturz in seinem Haus in Newport. Seine Firma war zu diesem Zeitpunkt bereits einer der größten Hersteller für Spezialchemikalien des Landes. Sie blieb noch bis 1942 in privater Hand, erst dann wurden der Öffentlichkeit Aktien angeboten.
Der Weg zu einem der größten Pharmaunternehmen der Welt
Innovationen wie die Herstellung von Zitronensäure durch Fermentierung im Jahr 1919 oder die Entwicklung zu einem der führenden Vitaminhersteller führten zu einem weiteren Wachstum des Unternehmens auch nach dem Tod der beiden Gründer. Aber erst mit der Groß-Herstellung von Penicillin im Zweiten Weltkrieg begann der eigentliche Wandel des Unternehmens von einem Feinchemikalienhersteller hin zu einem der größten Pharmaunternehmen der Welt. Es folgte eine zunehmende Internationalisierung in den 1950er Jahren. Große Bekanntheit erlangte die Firma u.a. durch die Erfindung des Wirkstoffs Sildenafil (von Pfizer ab 1998 als Arzneimittel mit dem Namen Viagra vermarktet). Leider gab es aber auch einige Kontroversen und Gerichtsverfahren über die Jahre.
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