Hamburgs Partnerstadt Chicago
- 31. Juli 2017 - Allgemein, Auswanderung, Hamburg, Wissen
Seit Juli 1994, um genau zu sein seit dem 20. Juli 1994, ist Chicago Partnerstadt von Hamburg. Einen ersten Vorstoß hierzu hatte es bereits 1957 gegeben, in den 1990er Jahren wurde die Idee dann wieder aufgenommen.
Für die Städtepartnerschaft gibt es gute Gründe. Beide Städte sind durch ihre Lage am Wasser geprägt (am Michigansee und an der Elbe), obwohl beide im Binnenland liegen. Es handelt sich zudem um wirtschaftliche und kulturelle Zentren. Es gibt aber auch historische Parallelen und Zusammenhänge. Zu nennen sei hier nur kurz, der Vollständigkeit halber, dass beide Städte im 19. Jahrhundert von Großbränden heimgesucht wurden (Hamburg 1842, Chicago 1871), die großen Einfluss auf ihre heutigen Erscheinungsbilder hatten. Vor allem aber spielen beide Städte eine nicht unbedeutende Rolle in der Migration von Deutschland nach Amerika im 19. Jahrhundert: Hamburg als Auswandererhafen, Chicago als Anlaufstelle für Einwanderer.
Die (deutsche) Geschichte Chicagos
Chicago (Illinois) ist heute mit etwa 2,7 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt der USA. Der Name ist indianischen Ursprungs. Bereits in den 1770er Jahren errichtete Jean-Baptiste Point du Sable einen Handelsposten auf dem Gebiet. Schnell etablierte er sich aufgrund der verkehrsgünstigen Lage am Michigansee als wichtiger Umschlagsplatz (Tor zum Westen). Übrigens trug der Handel mit den Vereinigten Staaten nach dem gewonnenen Unabhängigkeitskrieg auch zum enormen wirtschaftlichen Aufschwung Hamburgs bei.
Offiziell gegründet wurde Chicago erst 1833. Vier Jahre später wurde es zur Stadt erhoben. Diese wuchs schnell. Nachdem die Ansiedlung um 1830 noch etwa 100 Einwohner zählte, waren es 1840 knapp 4.500, 1860 bereits über 100.000 und 1890 war die Millionengrenze überschritten. Unter den ersten Einwohnern waren in den 1830er Jahren bereits Deutsche. In größeren Zahlen bevölkerten sie die Stadt jedoch erst nach der gescheiterten Revolution von 1848/49. 1860 waren dann fast 20% der Einwohner deutscher Herkunft. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren sie die größte ethnische Gruppe in Chicago. In dieser Zeit wurde der Mittlere Westen generell zum Hauptansiedlungspunkt für deutsche Einwanderer. Andere Städte mit hohen Prozentsätzen deutscher Bewohner waren beispielsweise St. Louis (Missouri), Cincinnati (Ohio) und Milwaukee (Wisconsin). Nicht umsonst spricht man auch vom „German Belt“. Die deutschen Einwanderer kamen u.a. auch über Hamburg, neben Bremerhaven der wichtigste Auswandererhafen Deutschlands. Manche blieben nur vorrübergehend, um Geld zu verdienen und ihr Glück anschließend im Westen zu versuchen, andere blieben.
Es bildete sich eine starke deutsch-amerikanische Gemeinschaft mit zahlreichen Vereinen, Initiativen und Aktivitäten. Selbst das Chicago Symphony Orchestra, das zu den größten und besten der Vereinigten Staaten gehört, geht auf den in Esens/Ostfriesland geborenen Theodore Thomas (1835-1905) zurück. Er war 1849 in die USA ausgewandert und gründete 1891 das Symphonieorchester in Chicago, an dem er bis 1905 Chefdirigent war. Ihm folgte der ebenfalls in Deutschland geborene Friedrich August Stock bis 1942. Der Weltruf wurde jedoch erst ab 1953 unter dem in Budapest geborenen Fritz Reiner begründet.
Wichtig war den deutschen Einwanderern u.a. der sonntägliche Austausch bei einem oder mehreren Bieren. Als 1855 der Alkoholverkauf an Sonntagen verboten wurde, kam es zu den sogenannten „Lager Beer Riots“.
Auch gewerkschaftlich waren die deutschen Einwanderer sehr engagiert. Sie trugen nicht zuletzt dazu bei, dass Chicago ein wichtiger Schauplatz der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung wurde. Gewaltsam endete die Forderung nach dem Acht-Stunden-Tag im Mai 1886 mit dem sogenannten „Haymarket Riot“ in Chicago. Auf dieses Ereignis geht heute der Tag der Arbeit am 01. Mai zurück.
Im 20. Jahrhundert nahm die Zahl der deutschen Einwanderer in Chicago ab. Im Rahmen des Ersten und Zweiten Weltkrieges kam es zu einer ausgeprägten anti-deutschen Stimmung auch in Chicago. In dieser Zeit haben viele deutschstämmige Einwohner ihre Namen geändert und auch Straßen wurden umbenannt. Die bis dahin sehr starke kulturelle Eigenständigkeit zerfiel.
Deutsches Chicago heute
Das heißt aber nicht, dass sich heute keine deutschen Spuren mehr in Chicago finden lassen würden. Laut Daten des Census hatten im Jahr 2000 15,8% der Einwohner in der Chicago Area deutsche Vorfahren. Es gibt immer noch, oder wieder, viele deutsch-amerikanische Vereine. Die Stadt ist auch der Sitz des German American National Congress (DANK), der 1959 gegründet wurde, eine Art Dachverband deutsch-amerikanischer Vereine. Auch viele deutsche Restaurants gibt es hier. Und die mittlerweile nationale Zeitung „Amerika Woche“ kam ursprünglich aus Chicago. Heute gibt es zudem einen jährlichen Christkindlmarkt, Oktoberfeste und die jährliche Von-Steuben-Parade.
Das deutsche Viertel der Stadt lässt sich heute um den Lincoln Square finden. Hier gibt es noch viele deutsche Geschäfte bzw. Geschäfte, die von deutschen Einwanderern gegründet wurden. Auf dem Lincoln Square selbst kann man seit 2008 sogar ein Stück Berliner Mauer besichtigen. Des Weiteren gibt es in Chicago z.B. eine Goethe und eine Schiller Street sowie viele Niederlassungen deutscher Unternehmen.
Die katholische Kirche St. Michael wurde 1852 zuerst als Holzkirche für deutsche Einwanderer errichtet. 1869 wurde ein neues Gebäude aus rotem Sandstein eingeweiht, das eines der höchsten Bauwerke der Stadt war. Der große Brand von 1871 ließ nur die Außenmauern der Kirche übrig, die anschließend wiederaufgebaut wurde.
Nach dem großen Brand 1871 wurde Chicago zu einem architektonischen Experimentierfeld. Es kam zu einem Bauboom. Heute ist die Stadt durch moderne Architektur und eine beeindruckende Skyline geprägt. Hierzu haben auch deutsche Architekten beigetragen. Nicht wenige Gebäude gehen auf Ludwig Mies van der Rohe zurück. Der deutsch-amerikanische Architekt, der 1886 in Aachen geboren wurde, starb 1969 in Chicago. Er lehrte am Illinois Institute of Technology und prägte gemeinsam mit seinen Studierenden die Skyline der Stadt. Von ihm stammen z.B. das IBM Building oder die Lake Shore Drive Apartments. Aber auch der deutsche Architekt Helmut Jahn (*1940, u.a. bekannt durch das Sony-Center am Potsdamer Platz in Berlin) hat beispielsweise mit dem State of Illinois Center zum Stadtbild beigetragen.
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