Beyond History Blog

Und wann wird geheiratet? Heiratsalter in Deutschland

Heike Leiacker - 13. August 2017 - Allgemein, Wissen, Hamburg, Familie

Viele werden die Frage, wann denn (endlich) geheiratet wird, kennen. Zumindest ist es aber in westlichen Ländern kein Problem mehr, zusammenzuziehen und Kinder zu bekommen, ohne verheiratet zu sein. Früher ein Skandal. Aber wann heiratete man eigentlich? Und stimmt es, dass dies früher geschah als heute?

Fragen, die auch für die Ahnenforschung relevant sind. Für das Auffinden von Verwandten oder spezifischen Heirats- oder Geburtsdaten kann es durchaus relevant sein, eine ungefähre Idee davon zu haben, wie groß der Generationenabstand gewesen sein könnte bzw. welches Heiratsalter etwa in Frage kommt.

 

Das durchschnittliche Heiratsalter

Tatsächlich wurde gar nicht so viel früher geheiratet als heute. Das wird deutlich, wenn man einen Blick auf das durchschnittliche Heiratsalter wirft. 2015 lag es für Männer bei 33,8 Jahren und für Frauen bei 31,2 Jahren. Das ist im internationalen Vergleich relativ spät.

Es stimmt, dass das durchschnittliche Heiratsalter in den letzten Jahren steigt. 1991 lag es in Deutschland für Männer noch bei 28,5 Jahren, für Frauen bei 26,1 Jahren. Da hat sich also durchaus etwas getan. Schaut man sich allerdings das Heiratsalter in Preußen beispielsweise im Jahr 1900 an, so lag es für Männer im Schnitt bei 28,9 Jahren und für Frauen bei 26,2 Jahren. Also kaum niedriger als 1991. Schaut man noch etwas weiter zurück, beispielsweise ins Jahr 1867, so lässt sich ein durchschnittliches Heiratsalter von 30 bzw. 27,4 Jahren in Preußen finden. Auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts lag es in Deutschland bei etwa 28 bzw. 26 Jahren. Und selbst im Mittelalter wurde nicht unbedingt früher geheiratet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings, zwischen 1950 und 1970, sank das Heiratsalter zeitweise deutlich. Das geringste Durchschnittsalter ließ sich dabei offenbar 1970 finden, mit 25,3 Jahren für Männer und 22,6 Jahren für Frauen.

 

Ehemündigkeit

Vom durchschnittlichen Heiratsalter zu unterscheiden sind die rechtlichen Rahmenbedingungen. Heute ist man in Deutschland ehemündig, wenn man volljährig ist. Das bedeutet, grundsätzlich kann jeder Deutsche ab 18 Jahren heiraten. Ab 16 Jahren ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Heirat möglich, wenn die Eltern oder ein Gericht zustimmen.

Früher galten andere Maßstäbe und meist wurde mit zweierlei Maß gemessen. D.h. die Geschlechter wurden unterschiedlich behandelt. Häufig wurde die Geschlechtsreife als Ausgangspunkt für die Festsetzung genommen, aber bei Männern spielten beispielsweise auch wirtschaftliche Gesichtspunkte oder abzuleistende militärische Dienste eine Rolle. So kommt es, dass das Mindestalter für Männer oft höher lag als das für Frauen. Die zeitlichen und regionalen Unterschiede sind vielfältig. Daher werden hier nur wenige Beispiele für Mindestalter genannt.

Im Mittelalter konnten Mädchen teilweise bereits mit 12 oder 13 Jahren verheiratet werden, Jungen ab 14. Unter bestimmten Umständen auch früher. Verlobungen waren nach kirchlichem Recht wohl bereits mit 7 Jahren möglich. Gerade aus dem Adel kenn man geschichtliche Beispiele von Heiraten oder Verlobungen sehr junger Kinder zu politischen Zwecken. Solche sehr frühen Heiraten waren jedoch in der normalen Bevölkerung kaum die Regel.

1875 trat das Gesetz des deutschen Reiches über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung in Kraft, danach durften Frauen ab 16 Jahren, Männer ab 20 Jahren heiraten. Allerdings waren frühere Eheschließungen durch Dispensation (Ausnahmegenehmigung) möglich.

 

Ehehindernisse und Eheverbote

Wie kommt es, dass nicht früher geheiratet wurde? So wie heute war es nicht unwichtig, dass eine ausreichende Lebensgrundlage für eine neue Familie gegeben war. Viele warteten sicherlich mehr oder weniger freiwillig, bis sie in der Lage waren, diese zu gewährleisten. Einer der Gründe für das späte Heiratsalter lag aber auch in den verschiedenen Ehehindernissen und Eheverboten, die es in den deutschen Staaten gab.

Oft wurde eine Heiratsgenehmigung der jeweils zuständigen Obrigkeit vorausgesetzt. Bereits im Mittelalter benötigten Heiratswillige oft die Zustimmung ihres Gutsherrn. In Hamburg war für die Erteilung einer Heiratsgenehmigung spätestens ab Mitte des 18. Jahrhunderts das Bürgerrecht notwendig. Dieses zu erwerben kostete Geld, setzte voraus, dass man einem Erwerb nachging, von dem man leben konnte, und beinhaltete eine Bürgermilitärpflicht inkl. Anschaffungskosten für Uniform und Bewaffnung. Nicht jeder heiratswillige konnte sich dies leisten. Für Zugezogene waren die Bestimmungen noch schwerer zu erfüllen. Des Weiteren durften viele Einwohner ohnehin nicht heiraten. So z.B. einfache Soldaten, Handwerksgesellen (die erst mit Erlangung der Meisterwürde heiraten konnten) sowie nicht den Zünften angehörende Handwerker. Aber z.B. auch in Süddeutschland wurden die Heiratschancen der armen Bevölkerungsschichten ab Ende des 18. bis ins 19. Jahrhundert beschnitten. Offiziell sollte auf diesem Wege meist die Armut gemindert und die Armenkassen entlastet werden. Tatsächlich führten die Vorschriften keineswegs zu einer Verminderung von Armut, viel eher verfestigten sie die Ständeunterschiede und begünstigten das Entstehen von sogenannten Konkubinaten oder „wilden Ehen“ sowie von unehelichen Geburten. Manchmal konnte später noch eine Heirat erreicht werden, aber nicht immer. Als „sittenlos“ wurden die Lebensgemeinschaften vermutlich vor allem von Seiten der Kirche und der höheren Schichten angesehen, im eigenen Umfeld kann, mit Unterschieden, durchaus von einer gewissen Akzeptanz ausgegangen werden. Allerdings drohte eine polizeiliche Verfolgung und ggf. zwangsweise Trennung.

Im Gegensatz dazu waren unehelichen Beziehungen und Kinder im Bürgertum und Adel ein Skandal.  Aber auch bürgerliche Männer heirateten oft spät. Besonders im Bildungsbürgertum waren die Ausbildungszeiten lang und entsprechend lange dauerte es, bis man(n) in der Lage war, eine Familie zu versorgen. Oft wurden jedoch von den vergleichsweise alten Männern deutlich jüngere Frauen geheiratet. In Arbeiter- und Unterschichtsehen kam dies seltener vor.

 

Und was heißt das für die Ahnenforschung?

Bei Beyond History gehen wir für unsere Suche nach Vorfahren meist von einem Heiratsalter ab etwa 23-25 Jahren für beide Geschlechter aus. Für die Suche nach Kindern kann man durchaus auch 1-2 Jahre vor einem Heiratsdatum schauen. Wie beschrieben kam es nämlich durchaus vor, dass erst nach der Geburt des ersten oder sogar mehrerer Kinder geheiratet wurde.

Neuer Kommentar

0 Kommentare

Benachrichtigung bei neuen Blog-Artikeln