Der erste deutsche Bundestag wird gewählt
- 14. August 2019 - Allgemein, Historische Ereignisse, Wissen
Freie Wahlen sind in Deutschland zu etwas Selbstverständlichem geworden. Alle vier Jahre wird die wahlberechtigte Bevölkerung zu den Wahlurnen gebeten, um unser Parlament – den Bundestag – zu wählen. Heute vor 70 Jahren geschah dies zum ersten Mal.
Am 14. August 1949 fand die erste freie Parlamentswahl nach der letzten Reichstagswahl am 06. November 1932 statt. Zuvor war es der Bevölkerung nur möglich an Landtags- und Kommunalwahlen teilzunehmen, die bereits 1946 durchgeführt wurden. Die erste Bundestagswahl wurde dabei nur in dem Gebiet der Bundesrepublik abgehalten, jedoch nicht in dem der DDR, die am 07. Oktober 1949 gegründet wurde.
Basis für die erste Bundestagswahl waren das bereits am 23. Mai 1949 beschlossene Grundgesetz und das Wahlgesetz zur ersten Bundestagswahl und zur ersten Bundesversammlung, welches vom Parlamentarischen Rat und den Ministerpräsidenten der einzelnen Bundesländer angefertigt wurde. Die Korrekturen der Besatzungsmächte an dem Wahlgesetz wurden einbezogen.
Aus heutiger Sicht ist die erste Bundestagswahl in der BRD kurios, denn viele Regeln, die heute gelten, waren damals noch nicht bindend. So gab es 1949 noch nicht die berühmte "Fünf-Prozent-Hürde", wie wir sie in der heutigen Form kennen. Denn im Gegensatz zu heute, galt diese nur auf Landesebene. Es genügte, wenn eine Partei 5% in einem Bundesland erreichte oder einen Wahlkreis für sich direkt entscheiden konnte. Daraus folgte, dass im ersten Bundestag elf Parteien saßen, in der jetzigen Legislaturperiode sind es sechs. Dennoch war die Anzahl der wählbaren Parteien eingeschränkt, da jede Partei bis zum 17. März 1950 eine Parteienlizenz der Besatzungsmächte benötigte, um für Wahlen zugelassen zu werden.
Außerdem stand jedem Wähler nur eine Stimme zu mit der er eine Partei wählen konnte. Heute hat jeder Wähler zwei Stimmen. Mit der ersten Stimme wählt man nun einen Wahlkreisabgeordneten und die zweite Stimme gibt man einer der Parteien, die für die Wahlen zugelassen wurden. So besteht die Möglichkeit für mehr als eine Partei zu stimmen. Die zwei Stimmen sollen unter anderem sicherstellen, dass jede Region im Bundestag vertreten ist. Bei der Bundestagswahl 1949 war dies noch nicht der Fall. Erst ab der zweiten Bundestagswahl 1953 gab es sowohl die Fünf-Prozent-Hürde als auch die Erst- und Zweitstimme. Beim Wahlsystem handelt es sich dabei um einen Kompromiss der Fraktionen, die unterschiedliche Wahlsysteme favorisierten.
Die erste Bundestagswahl war auch aus einem anderen Grund besonders. Wie bereits erwähnt, wurde am 23. Mai 1949 das Grundgesetz verabschiedet, das auch heute noch als Verfassung der BRD dient. Jedoch konnte die Bevölkerung darüber nicht abstimmen, da es zuvor nur Landtags- und Kommunalwahlen gab. Die hohe Wahlbeteiligung bei der ersten Bundestagswahl von 78,5% wurde jedoch als Bestätigung des Grundgesetzes durch die Bevölkerung angesehen.
Am 07. September 1949 wurde die neue Regierung geschaffen, die aus einer Koalition zwischen CDU, FDP und der damals noch existierenden DP bestand. Eine Woche später, am 14. September 1949 wurde Theodor Heuss zum ersten Bundespräsidenten gewählt. Einen Tag später, am 15. September 1949, wurde Konrad Adenauer zum Kanzler gewählt. Das System aus Bundeskanzler und -präsident wurde in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt, um zu verhindern, dass ein Präsident, der direkt vom Volk gewählt wird, zu viel Macht erlangt. Stattdessen entscheiden die Wähler heute nur über die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages. Der Präsident wird durch die Bundesversammlung gewählt, die sich aus Vertretern der Bevölkerung zusammensetzt (Mitglieder des Deutschen Bundestages sowie aus den Volksvertretungen der Länder). Der Bundeskanzler, der eigentliche Regierungschef, wird durch den neu zusammengestellten Bundestag auf Vorschlag des Bundespräsidenten gewählt. Große Parteien stellen jedoch bereits vor der Wahl einen jeweiligen Spitzenkandidaten auf, so dass die Bevölkerung einen Anhaltspunkt hat, wer je nach Wahlentscheidung zukünftig an der Spitze des Landes stehen könnte.
Im ersten Bundestag saßen 410 Abgeordnete, von denen 402 ein volles Stimmrecht genossen. Bei den übrigen acht Abgeordneten handelte es sich um Berliner Abgeordnete, die nur mit einem eingeschränkten Stimmrecht ausgestattet wurden, da Berlin durch den Vier-Mächte-Status nicht direkt durch die Bundesrepublik regiert werden durfte und Gesetze dort separat verabschiedet werden mussten.
Obwohl der Zweite Weltkrieg und die NS-Diktatur grade erst vorbei waren, fanden sich im ersten Bundestag noch einige Parteien, die man dem rechten Spektrum zu ordnen könnte. Eine davon war der Koalitionspartner der CDU und FDP – die DP oder Deutsche Partei. Zwar gab es die DP bereits in der Weimarer Republik und sie wurde von den Nationalsozialisten verboten, sie war aber zumindest daran interessiert, Stimmen von ehemaligen Sympathisanten zu erhalten. Laut den Sozialwissenschaftlern Manfred Rowold und Stefan Immerfall richtete sie sich an "bürgerliche Wähler aus den konservativen Randzonen an der Schwelle zum Rechtsextremismus". Aber auch die KPD war am linken Rand des politischen Spektrums bis zu ihrem Verbot 1953 im Bundestag vertreten. Ohnehin befanden sich im ersten Bundestag eine Vielzahl an Parteien, die dem heutigen Wähler nicht mehr geläufig sein dürften: entweder weil sie nicht mehr existieren oder weil sie an Bedeutung verloren haben.
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