Quellen für die Ahnenforschung: Kirchenbücher
- 24. Januar 2021 - Allgemein, Historische Dokumente, Wissen, Tipps und Tricks
Wir haben sie nicht vergessen, unsere Top 10 der Quellen für die Ahnenforschung - wie könnten wir auch, wir arbeiten schließlich täglich mit ihnen. Heute soll es nun also um die Kirchenbücher, auch Kirchenmatrikel genannt, gehen.
Relevanz
Ohne Kirchenbücher wäre Ahnenforschung kaum möglich. Zumindest könnte man in den meisten Fällen nicht allzu viele Generationen zurückverfolgen. Denn vor Beginn der standesamtlichen Aufzeichnungen 1874/1876 sind Kirchenbücher die Hauptquelle für die Ahnenforschung in Deutschland. Und auch für Zeiten, in denen es bereits standesamtliche Unterlagen gab, können kirchliche Quellen weitere Informationen liefern oder bei Verlust der staatlichen Urkunden als Ersatz dienen.
Es gibt in der Regel chronologisch geführte Tauf-, Heirats- und Beerdigungsbücher. Zusätzlich können sich beispielsweise auch Konfirmandenregister, Kommunikantenregister (Teilnehmer am Abendmahl) oder sogar Familienregister finden (Aufstellungen zu ganzen Familien mit allen Kindern, v.a. im Gebiet des heutigen Baden-Württemberg). Manchmal sind auch Listen von Kirchenmitgliedern erhalten.
Die Informationen sind leider nicht immer so akkurat festgehalten worden, wie man es sich wünschen würde. Insofern sind Kirchenbücher ebenso fehleranfällig wie andere alte Quellen. Oft konnte auch nur das festgehalten werden, was man wusste oder zumindest zu wissen glaubte.
Im Gegensatz zu den standesamtlichen Urkunden ging es nicht in erster Linie, oder zumindest nicht nur, um ein Festhalten der Lebensdaten einer Person, sondern um die damit einhergehenden kirchlichen Handlungen. Das heißt, es ging eher darum, dass eine Person getauft oder beerdigt wurde als darum, dass sie geboren wurde oder starb. Dennoch finden sich häufig (vor allem in neueren Kirchenbüchern) auch die eigentlichen Geburts- und Sterbedaten in den Aufzeichnungen. Es kann jedoch auch sein, dass nur ein Datum festgehalten wurde. Meist handelt es sich dann um das kirchliche Datum.
Welche Informationen die jeweiligen Einträge enthalten, kann sehr stark variieren. Besonders ältere Einträge enthalten oft nur die Basisinformationen, also die Namen der direkt Beteiligten und das Datum der Spende des jeweiligen Sakraments (der kirchlichen Amtshandlung). Manchmal ist bei einer Taufe nicht einmal die Mutter genannt. Es kann aber auch spannende weitere Informationen geben. Neben Berufen und Wohnorten sind bei Taufen beispielsweise das Heiratsdatum der Eltern, bei Heiraten die Namen der Eltern, das Alter sowie die Wohnorte und Familienstände der Brautleute bis hin zu Informationen zu vorherigen Ehepartnern und Proklamationsdaten möglich. Sterbeeinträge können neben Informationen beispielsweise zur Todesursache mit Glück sogar recht ausführliche Informationen zu den Hinterbliebenen, also Eltern, den jeweiligen Ehepartnern sowie den Kindern, manchmal mit Informationen zu deren Schicksal und deren Nachkommen, liefern.
Auch Informationen zu Taufpaten und Trauzeugen können für die Ahnenforschung sehr interessant sein. Häufig finden sich darunter nämlich Familienmitglieder und angegebene Orte können Hinweise für die weitere Forschung liefern und dabei helfen, Sackgassen in der Forschung zu überwinden.
Aufbewahrung und Zugang
Für die Ahnenforschung relevante Kirchenbücher können in Deutschland an vielen unterschiedlichen Orten zu finden sein. Wichtig für das Finden eines Eintrags ist, dass man weiß, welcher Religion die gesuchte Person angehörte. Häufig befinden sich die evangelischen und katholischen Kirchenbücher nämlich nicht am selben Ort, sondern eben bei den jeweiligen Kirchen bzw. in deren Archiven.
Wo genau sich die Unterlagen befinden, hängt dann wieder stark vom jeweiligen Ort ab. Wichtig ist hierfür, die jeweils zuständige Kirchengemeinde zu kennen (die über die Jahre auch gewechselt haben kann). Für die Jahre ab 1874/1876 ist dann meist das jeweilige Pfarramt der erste Ansprechpartner. Wie bei den standesamtlichen Urkunden sind zudem ggf. Schutzfristen zu beachten, die variieren können.
Ältere Unterlagen können sich ebenfalls noch im Pfarramt oder bei (meist regionalen) Kirchenarchiven, Stadtarchiven oder auch Kreis-, Landes- und Staatsarchiven befinden. Manchmal haben säkulare Archive auch mikroverfilmte Kopien vorliegen.
Wenn es um Unterlagen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten geht, wird es noch komplizierter. Diese können sich, neben einer Aufbewahrung im heutigen Ausland, beim Evangelischen Zentralarchiv in Berlin oder auf katholischer Seite z.B. im Bischöflichen Zentralarchiv in Regensburg sowie in den einzelnen Diözesanarchiven, anderen kirchlichen Stellen oder auch in staatlichen Archiven befinden - wenn sie denn erhalten sind.
Evangelische wie katholische Kirchenbücher stehen teilweise auch digitalisiert online zur Verfügung. Die wichtigsten Anlaufstellen sind hier für evangelische Kirchenbücher das kostenpflichtige Portal Archion, für katholische Kirchenbücher das kostenlose Portal Matricula.
Für Religionen, die sich in der Minderheit befanden, finden sich teilweise Einträge in den Kirchenbüchern der vorherrschenden Religionen. Oder es wurden gar einzelne Register für sie bei den Mehrheitskirchen oder durch Ämter geführt. Manchmal finden sich die Einträge nur in den Kirchenbuchdublikaten. Dies kann auch für Protestanten, Katholiken und lange auch für Personen jüdischer Religion zutreffen. Je nach Zeit und Ort ist es aber auch möglich, dass eigene Bücher der Religionsgemeinschaften geführt wurden oder die Anhänger mussten zum nächstgelegenen Gotteshaus ihrer eigenen Religion gehen.
Das Lesen von Kirchenbüchern kann oft recht anstrengend sein. Wie immer spielen hier natürlich auch Handschriften und unterschiedliche Namensschreibweisen eine Rolle, darin unterscheiden sie sich kaum von anderen Quellen. An Nachnamen von Frauen wurde zudem oft ein -in angehängt oder die Nachnamen wurden anderweitig verändert. Katholische Kirchenbücher wurden darüber hinaus lange in Latein verfasst. Das betraf nicht nur die Texte selbst, auch die Namen wurden entsprechend angepasst. Ein Jacobus hieß im normalen Leben also meist eher Jacob. In manchen Gebieten kann man auch in Französisch oder in anderen Sprachen geführte Kirchenbücher finden (z.B. durch Hugenotten oder unter französischer Besatzung). Auch Datumsangaben können tückisch sein, wenn beispielsweise der Kirchenkalender verwendet wurde. Wundern Sie sich auch nicht über auf den ersten Blick manchmal seltsam anmutende Anmerkungen beispielsweise zu Unterlagen, die beizubringen waren.
Bei der Suche nach Einträgen sollte man manchmal auch um die Ecke denken und sich nicht so schnell mit dem Nicht-Vorhandensein eines Eintrags zufriedengeben. Gerade wenn sich etwas nicht mit dem Standpunkt der Kirche vertrug, waren die Geistlichen oft bestrebt, dies deutlich zu machen. Unfreundliche Namen für uneheliche Kinder oder eben gar deren Verbannung and Ende des Kirchenbuches und ggf. um 180 Grad gedreht geschrieben, sind nur mögliche Beispiele.
Eine Taufe fand häufig nicht direkt am Tag der Geburt statt. Wie viel Zeit verging, kann von unterschiedlichen Faktoren abhängen. Die jeweilige Religion ist einer davon. Familien mit katholischem Glauben ließen ihre Kinder meist zeitnah taufen. Bei evangelischen Familien kann die Zeitspanne wesentlich größer sein und bis zu einem Alter des Kindes von 4 oder 5 Jahren reichen. Aufgrund der hohen Kindersterblichkeit und den Kosten, die für eine Taufe anfielen, warteten Eltern teilweise, um zu sehen, ob das Kind überlebte. Eventuell wurden auch mehrere Geschwister gleichzeitig getauft, um Kosten zu sparen.
Geschichte
Kirchenbücher gab es in Deutschland wohl bereits im 15. Jahrhundert oder noch früher. Allerdings nicht von allen Kirchen. Die frühesten heute noch erhaltenen Bücher stammen aus dem 16. Jahrhundert. Ab wann Kirchenbücher für eine bestimmte Gemeinde vorliegen, kann sehr unterschiedlich sein und ist jeweils für den Einzelfall zu prüfen. Häufig setzen die Überlieferungen erst nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) ein, da in dieser Zeit viele Bücher zerstört wurden. Auch andere Kriege, insbesondere der Zweite Weltkrieg, waren verheerend für manche Kirchenbuchbestände. Gerade eine Familienrecherche in den ehemaligen Ostgebieten kann sehr frustrierend sein, da viele Bestände verloren gegangen sind oder zerstört wurden (sowohl standesamtliche als auch kirchliche Dokumente).
Zuerst wurden die Bücher oft im Fließtext verfasst, was das Lesen und vor allem das Überfliegen meist deutlich erschwert. Später wurden zumeist tabellarisch aufgebaute Formulare eingeführt, die die Lesbarkeit teilweise deutlich verbesserten.
Bereits ab etwa dem 18. Jahrhundert gab es oft auch Kopien der Kirchenbücher. Es entstanden sogenannte Erstschriften (die Originale) und Zweitschriften oder Dublikate (die Kopien). Sofern beide erhalten sind, können auch beide grundsätzlich für die Ahnenforschung relevant sein. Während Zweitschriften naturgemäß etwas fehleranfälliger sind als Erstschriften, da es beim Kopieren zu Fehlern kommen konnte, und häufig weniger Informationen enthalten, kann es mitunter durchaus auch sein, dass sie zusätzliche Informationen erhalten, die im Original fehlen. Die Zweitschriften dienten zumindest teilweise als staatliche Quelle (Grundlage für Musterrollen, Steuer- sowie Volkszählungslisten usw.) zum anderen aber auch als Vorsichtsmaßnahme, für den Fall, dass die Erstschrift zerstört wurde.
Auch nach Einführung der Zivilstands- bzw. Personenstandsregister unter den Franzosen bzw. 1874/1876 in ganz Deutschland wurden Kirchenbücher parallel fortgeführt - bis heute. Sie sind nun aber nicht mehr die offizielle staatliche Quelle und Kirchenarchive sind entsprechend nicht verpflichtet aus Kirchenbüchern nach 1874/1876 Auskunft zu erteilen.
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