Die Hamburger Feuerkasse - die älteste noch bestehende Versicherung der Welt
- 30. November 2021 - Allgemein, Hamburg, Historische Ereignisse, Wissen, Historische Dokumente, Jubiläum
Am 30. November 1676 wurde in Hamburg die wohl erste noch heute existierende Versicherung der Welt gegründet. Unter dem Namen General-Feuer-Cassa wurden die zuvor bereits bestehenden Feuerkontrakte der Stadt zusammengefasst und eine öffentliche Versicherung geschaffen, die unter dem Namen Hamburger Feuerkasse bis heute, allerdings mittlerweile als Teil eines großen Versicherungskonzerns, besteht. Die im Staatsarchiv lagernden historischen Bestände sind auch für die Ahnenforschung relevant.
Die Vorläufer
Feuer war ein großes Problem im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Die meisten Häuser waren aus Holz gebaut und endsprechend leicht entflammbar, die technischen Hilfsmittel waren noch dürftig und eine Feuerwehr im heutigen Sinne gab es nicht. Entsprechend häufig kam es zu Bränden, die nicht selten ganze Stadtteile betrafen. Für die Betroffenen konnte dies schnell den kompletten Ruin bedeuten.
Sogenannte Feuergilden oder Brandgilden gab es im ländlichen Gebiet des heutigen Schleswig-Holsteins wohl schon im 15. Jahrhundert, spätestens aber 1537. Mehrere Bauern taten sich zusammen um sich gegenseitig im Brandfall zu helfen und Schadenersatz zu leisten. In Hamburg wurde der erste sogenannte Feuerkontrakt am 03. Dezember 1591 von Bierbrauern geschlossen. 101 Bürger verpflichteten sich, sich gegenseitig im Falle eines Brandes finanziell mit einem festgelegten Betrag zu unterstützen. Voraussetzung war allerdings der Wiederaufbau innerhalb eines Jahres. So verteilte sich das Risiko auf mehrere Personen und war für den einzelnen leichter zu tragen. In der Folge entstanden noch weitere solcher Feuerkontrakte mit jeweils etwa 100 „Consorten“ in der Hansestadt.
Es ist übrigens kein Wunder dass es gerade die Bierbrauer waren, die den ersten Feuerkontrakt schlossen, war Hamburg in dieser Zeit doch das Zentrum der europäischen Bierproduktion.
Die Gründung der General-Feuer-Cassa und ihre Entwicklung
Da die Brände gerade in Städten häufig stark um sich griffen, waren nicht selten mehrere der in den Kontrakten zusammengeschlossenen Bürger von ihnen betroffen. So ging das Konzept leider nur bedingt auf. Diverse Brände in Hamburg während des 17. Jahrhunderts, aber auch der Große Brand von London 1666 dürften dazu beigetragen haben, dass man nach einer umfassenderen Lösung suchte, die die Kosten auf eine größere Anzahl von Personen umverteilte.
Am 30. November 1676 kam es daher zur Gründung der General Feuer-Cassa durch den Rat (Datum der Erstellung der entsprechenden Verordnung, ab 1867 Hamburger Feuercasse). Die bestehenden privaten Feuerkontrakte der Alt- und Neustadt wurden nun in dieser öffentlich-rechtlichen Versicherung zusammengefasst. Von nun an waren feste jährliche Beiträge zu zahlen. Der Eintritt in die Versicherung war freigestellt, der Austritt zwar möglich, aber genehmigungspflichtig. Ein Viertel der Kosten musste im Schadensfall als selbst getragen werden und das Gebäude musste auch weiterhin wieder aufgebaut werden, um eine Zahlung zu erhalten. Auch der Feuerschutz gehörte zu den Aufgaben der eingeführten Feuerkassendeputation (Behörde), die aus Senatoren, Oberalten und Bürgern bestand. Die Hamburger Feuerkasse wurde zum Vorbild für viele ähnliche Institutionen, darunter bereits 1677 in Harburg.
Neben öffentlich-rechtlichen Feuerkassen wurden aber auch andere private Feuerversicherungen mit meist eher lokaler Bedeutung gegründet. Die erste deutsche Versicherung in Form einer Aktiengesellschaft wurde mit der Assecuranz-Compagnie für See-Risico und Feuers-Schaden 1765 ebenfalls in Hamburg gegründet. Sie bestand bis 1815.
1753 wurde der Austritt aus der Feuerkasse untersagt, der Eintritt blieb noch freiwillig. 1817 wurden dann aber endgültig alle Gebäudeeigentümer verpflichtet, sich bei der Feuerkasse zu versichern (Pflicht- und Monopolversicherung). 1910, nach dem Brand der Michaeliskirche, wurden auch Kirchen in die Pflichtversicherung mit aufgenommen.
Ab dem 19. Jahrhundert erfolgte nach und nach die Eingliederung der Feuerkassen von Vororten und dem Landgebiet in die Hamburger Feuerkasse.
Eine harte Bewährungsprobe: Der Große Brand von 1842
Zwischen dem 05. und 08. Mai 1842 kam es zum sogenannten Großen Brand in Hamburg (auch Hamburger Brand), der sich schnell ausbreitete, ca. 20% des Hamburger Häuserbestands zerstörte oder beschädigte sowie insgesamt einen Schaden von ca. 135 Millionen Mark verursachte. Er hat das Stadtbild Hamburgs nachhaltig geprägt. Auch das Gebäude des damaligen Stadtarchivs in der Großen Bäckerstraße und das alte Rathaus wurden zerstört. Letzteres wurde in einem Versuch, das Feuer aufzuhalten, gesprengt. Teile des Archivguts und der Akten und Protokolle des Rathauses konnten in die Michaeliskirche gerettet werden (wohl ca. 35% des Archivguts, leider eher die neueren als die älteren Unterlagen).
Die reinen Gebäudeschäden waren durch die Hamburger Feuerkasse zu entschädigen. Dafür war die Aufnahme einer Staatsanleihe notwendig. Erst 1888 war diese vollständig abgezahlt. Einige der kleineren Feuerversicherungen, die unter anderem Mobiliar etc. versichert hatten, darunter die Association Hamburgischer Einwohner zur Versicherung gegen Feuergefahr (auch bekannt als Biebersche Compagnie, gegründet 1795) sowie die Zweite und Fünfte Hamburgische Assekuranz Compagnie, überlebten die Kostenbelastung durch den Brand hingegen nicht.
Die Trennung von Feuerkasse und Feuerwehr
Wie erwähnt gehörte auch die Brandbekämpfung zu den Aufgaben der Feuerkasse. 1868 wurde eine eigene Deputation für das Löschwesen geschaffen, die Löschgeräte wurden an die Stadt übergeben. 1872 kam es dann zur Gründung der Berufsfeuerwehr in Hamburg.
Die Feuerkasse im 20. und 21. Jahrhundert
Im Laufe der Zeit erweiterte die Hamburger Feuerkasse ihre Leistungen. Als eines der ersten Versicherungsunternehmen in Deutschland übernahm sie z.B. ab 1930 auch Sturmschäden. Ab 1940 konnte Mobiliar bei der Hamburger Mobiliar-Feuerkasse versichert werden (bereits 1990 an die Provinzial Nord verkauft).
1994 kam es aufgrund einheitlicher europäischer Regelungen zur Privatisierung der Feuerkasse und gleichzeitig zur Aufhebung der Versicherungspflicht und des Gebäudeversicherungsmonopols. Die Hamburger Feuerkasse wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und an die DBV-Winterthur-Versicherungsgruppe Wiesbaden verkauft. 1997 ging die Hamburger Feuerkasse an die Provinzial Nord in Kiel, seit 2005 gehörte sie zur Provinzial NordWest. 2020 schlossen sich Provinzial NordWest und die Provinzial Rheinland zusammen. In diesem Konzern besteht die Hamburger Feuerkasse aber noch heute als regionaler Versicherer rund ums Haus.
Die Bedeutung der Unterlagen von Brandkassen für die Ahnenforschung
Die anderenorts zumeist als Brandkassen, aber z.B. auch als Feuer-oder Brand-Sozietäten oder Brandversicherungsanstalten bezeichneten Feuerversicherungen (öffentlicher oder ggf. auch privater Natur), bzw. deren Unterlagen, sind auch für die Ahnenforschung relevant. Gerade wenn es, wie in Hamburg, über lange Zeit eine Versicherungspflicht gab, stehen die Chancen gut, dass sich Informationen zu einem Haus finden lassen, welches ein Vorfahr besessen hat. Mit Glück können diese sogar über die in den Versicherungsbüchern/Brandkatastern vermerkten Informationen (z.B. zu Besitzern/Versicherungsnehmern, ggf. Erben und Versicherungswert) hinausgehen, wenn Unterlagen wie z.B. Schätzungsscheine oder zur Schadenregulierung erhalten sind. Es lohnt also, sich möglicherweise erhaltene Unterlagen, wie die im Staatsarchiv Hamburg, anzusehen, wenn man davon ausgeht, dass die eigenen Vorfahren Hausbesitzer waren. Meist sind die Unterlagen allerings nach Adressen sortiert, was eine Suche ohne genaue Informationen hierzu sehr erschweren kann.
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